Mit 10.000 pinken Fahrradsattelschonern machen die Gleichstellungsbeauftragten der Region Hannover aufmerksam auf Gewalt gegen Frauen. Auf dem leuchtend pinkfarbenen Fahrradsattelschoner ist deutlich lesbar die neue verkürzte Telefonnummer des bundesweiten Hilfetelefons 116016 und der Hinweis auf die Website www.hilfetelefon.de aufgedruckt.
„Mit dieser Aktion wollen wir auf Hilfsangebote hinweisen und möglichst viele Menschen im öffentlichen Raum erreichen. Im November ist der pinke Sattelschoner dafür ein gut sichtbares Instrument“, sagt die Gleichstellungsbeauftragte Stefanie Hoffmann aus Springe. Am kommenden Mittwoch, 22. November verteilt Stefanie Hoffmann gemeinsam mit Margarete Kemper die Sattelschoner morgens rund um den Bahnhof.
Zum Hintergrund
Die bundesweite kriminalstatistische Auswertung der Daten zur Partnerschaftsgewalt und innerfamiliärer Gewalt im Jahr 2022 besagt, dass Gewalt in bestehenden und ehemaligen Partnerschaften in Deutschland in den letzten Jahren angestiegen ist.
„Fast alle zwei Minuten wird in Deutschland ein Mensch Opfer von häuslicher Gewalt. Jede Stunde werden mehr als 14 Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt. Beinahe jeden Tag versucht ein Partner oder Expartner eine Frau zu töten“, sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus bei der Vorstellung des Lagebilds Häusliche Gewalt des Bundeskriminalamtes.
Die Anzahl der Opfer häuslicher Gewalt lag im Jahr 2022 bei 240.574 und ist damit im Hellfeld um 8,5 % im Vergleich zum Vorjahr und um 13,0 % im Fünfjahresvergleich angestiegen. Etwas mehr als die Hälfte der Opfer lebte mit der tatverdächtigen Person in einem gemeinsamen Haushalt. Opfer von häuslicher Gewalt waren zu 65,6 % (157.818) durch Partnerschaftsgewalt betroffen, zu 34,4 % durch innerfamiliäre Gewalt (82.729 Opfer). Betroffen sind Mädchen und Frauen (71,1 %) sowie Jungen und Männer (28,9 %) aller Altersklassen. Besonders oft sind weibliche Personen zwischen 30 und 40 Jahren betroffen. Oft kommt es zu einfachen Körperverletzungen (135.502 Opfer, 56,3 %), vielfach aber auch zu psychischer Gewalt durch Bedrohung, Stalking und Nötigung (57.376 Opfer, 23,8 %) bis hin zu schweren und schwersten Delikten.
Bundesweit wurden im Jahr 262 Personen Opfer Häuslicher Gewalt mit tödlichem Ausgang. Laut polizeilicher Kriminalstatistik wurden in Niedersachsen im vergangenen Jahr 17 Frauen im Kontext häuslicher Gewalt getötet, 29 versuchte Tötungen wurden registriert. Oftmals geht einem Femizid häusliche Gewalt voraus. Das zeigt sich auch in den Daten der polizeilichen Kriminalstatistik in Niedersachsen.
Auch in der Region Hannover gab es einen Anstieg der Fälle. Im Berichtsjahr 2022 erhielt der BISS-Verbund Region Hannover Kenntnis von insgesamt 1.674 Fällen häuslicher Gewalt, davon 1.413 Frauen und 261 Männer. In über der Hälfte der von der BISS betreuten Kommunen haben die Fallzahlen im Vergleich zum Vorjahr zugenommen, in vielen Kommunen sogar über 30%. Im Dunkelfeld ist von einem weit höheren Grad an Erfahrung mit Partnerschaftsgewalt auszugehen, bestätigen die Mitarbeiterinnen aus den Beratungsstellen in den Kommunen vor Ort.
Mit zunehmender Digitalisierung und veränderten Kommunikationswegen verlagern sich auch Phänomene Häuslicher Gewalt von der analogen in die virtuelle Welt. So sind bspw. Fälle von Stalking unter Nutzung des Internets bei Häuslicher Gewalt in den letzten Jahren um 57 Prozent (2018: 912; 2022: 1.432) angestiegen. (Quelle: Bundeskriminalamt, Häusliche Gewalt Bundeslagebild 2022)
Hilfe vor Ort
Auch in der Frauenberatung Springe zeichnet sich ein erhöhtes Fallaufkommen mit teils sehr komplexen Beratungsanliegen für dieses Jahr ab. Stand heute haben 73 Frauen die Beratungsstelle aufgesucht. Gegenüber dem letzten Jahr haben somit bereits zu diesem Zeitpunkt mehr Frauen in Springe die Beratung in Anspruch genommen, als im gesamten letzten Jahr. Die Frauenberatung Springe wird durch die Stadt Springe und die Region Hannover gefördert und bietet kostenfreie Beratungen in Gewalt- und Krisensituationen an. Die Beratung erfolgt von Frauen für Frauen. Frauen können sich jederzeit über die 05041 8011360 oder über info@frauenberatung-springe.de melden. Termine sind Montag, Mittwoch und Donnerstag vor Ort vereinbar und werden auf Deutsch, englisch und russisch angeboten, alle anderen Sprachen werden durch das Hinzuziehen von Dolmetscherinnen durchgeführt. Die Beratung richtet sich neben betroffenen Frauen auch ausdrücklich an betroffene Drittpersonen. Anonyme Beratungen sind ebenfalls möglich.
Setz Dich (ein) gegen häusliche Gewalt- eine rote Bank als Zeichen
Anlässlich des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen möchte die Gleichstellungsbeauftragte Stefanie Hoffmann gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen der Frauenberatungsstelle Springe und aktiven Frauen aus Springe durch das Aufstellen einer roten Bank vor dem Alten Rathaus mit dem Slogan “Kein Platz für Gewalt gegen Frauen“ auf das Thema aufmerksam machen.
Die Idee der roten Bank geht zurück auf die Aktion „Panchina rossa“ (zu deutsch rote Bank) aus Italien. Dort steht sie seit 2016 in öffentlichen Räumen als Symbol gegen häusliche Gewalt.
Auch Springes Bürgermeister Christian Springfeld sieht den Bedarf an Unterstützung für von Gewalt betroffenen Frauen: "Wenn unsere Aktion zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen auch nur einer Betroffenen hilft einen Weg aus der tückischen Gewaltfalle hinter verschlossenen Türen zu finden, hat es sich schon gelohnt. Das zu oft Unsichtbare sichtbar zu machen und mit der wichtigen Botschaft 'Du bist nicht alleine, es gibt Hilfe!' zu verknüpfen bleibt deswegen leider wichtig und richtig."
Am Mittwoch, den 22. November, wird die rote Bank um 9 Uhr aufgestellt und die Beteiligten stehen den ganzen Vormittag für Informationen rund um das Thema zur Verfügung. Interessierte sind herzlich eingeladen, an der Aktion teilzunehmen und sich über die Hilfsangebote zu informieren. Für warme Getränke wird gesorgt.